Verzeihen und vergeben sind zweierlei. Verzeihen kann ich, vergeben kann ich nicht. Nicht als Opfer, nicht als Geschändeter. Verzeihen bedeutet, den anderen nicht mehr zu zeihen, ihn nicht mehr zu bezichtigen. Das ist für den Geschändeten ab einem gewissen Zeitpunkt sogar wichtig, um nicht mehr in einer bösen Verstrickung mit dem Täter zu verharren, indem er gegen ihn zürnt, ihn mit Hass verfolgt, ihn etwas von der erlittenen Schmach vergelten möchte.
Vergeben aber heißt, etwas von sich zu geben, wegzugeben. Das kann ich nicht. Denn als Geschändeter bin ich ein Vernarbter, ein Verformter. Man mag etwas von seinem Schmerz an Gott abgeben, oder es sich von ihm abnehmen lassen; jedoch bleibt man ein Belasteter, ein Verwundeter.
Nun also plant man im Vatikan einen Weltgebetstag für Missbrauchsopfer. Auch mich berührt dieses Vorhaben seltsam, weil es die Opfer vereinnahmt, sie instrumentalisiert. Weil hier der Prozess des Verzeihens verkürzt und ein Vergeben herbeigebetet werden soll. So jedenfalls erfasse ich es. Es ist kein Angebot, sondern behauptet die Geschändeten als geistlich Erkrankte, nur dann macht es wie verkündet Sinn, für ihre geistliche Heilung zu beten. Die Geschändeten also haben ein spirituelles Defizit, die hierfür Verantwortlichen aber demnach offensichtlich nicht. – Welch eine Hybris!
Bericht zur Planung des Weltgebetstages