Vatertag ausgerechnet an Christi Himmelfahrt? Ein seltsamer Termin. Christus war kein Vater (obwohl sich darüber nicht wenige streiten), und viele Männer, die sich an diesem Tag eine Auszeit mit Bollerwagen und Biervorrat nehmen, auch nicht. Oft sind sie noch nicht einmal Männer, geschweige denn, dass sie anlässlich dieser Auszeit zum Himmel aufgefahren wären.
Dennoch stand für uns als Kinder fest, Vatertag ist an Christi Himmelfahrt. Während draußen mit bunten Bändern und Hüten geschmückte jungen Burschen fröhlich "festelnd" über Land zogen, kraftmeierten, und ihre in mehr oder weniger ferner Zukunft zu erwartende Vaterschaft begossen, während die "gestandenen" Männer, ob Vater oder nicht, es sich in froher Runde bei Bier und Wein wohl sein und sich vorzugsweise von hübschen Mädchen bedienen ließen, erwarteten die tatsächlichen Väter ein Vatertaggeschenk zu ihrem Ehrentag, das dem Muttertaggeschenk nicht nachstehen sollte.
Für uns Kinder war da guter Rat teuer. Unser Muttertaggeschenk bestand zumeist aus einem Wiesenblumenstrauß, den wir morgentaufrisch pflückten, an Mutters Bett brachten und ihr dazu den Morgenkaffee servierten.
Blumen für Vater? Das wäre keine gute Idee gewesen. Blumensträuße fand man damals weibisch. Hätte man einem Mann einen Blumenstrauß geschenkt, wäre dies allseits peinlich gewesen.
Vätern schenkte man, ja, was? Einen Satz Taschentücher zum Beispiel, so groß, dass man sie an allen vier Enden mit Knoten versehen und als Sonnenschutz auf den Kopf setzen konnte. Oder Socken, schwarz oder blau, mit Sockenhalter, die um die Wade geschnürt wurden und das Herunterrutschen verhinderten. Schließlich wollte kein anständiger Mann seine Socken in Ringeln um die Knöchel tragen. Schöne Geschenke und nützlich. Das vor allem. Aber teuer. Und welches Kind hatte damals schon so viel Taschengeld? Wir jedenfalls nicht.
Also hieß es, ein Vatertaggeschenk selber machen.
Ein Taschentuch aus einem Stück Baumwollbatist zuschneiden, mit säuberlich eingerollter Kante säumen und den Saum zuletzt mit einer festen Häkelborte aus Mausezähnchen versehen. Oder zwei Socken stricken, große zumal, vorzugsweise aus aufgeräufelter Wolle von den Socken vom vergangenen Vatertaggeschenk. O, weh, die Finger!
Beim Nähen stach man sich in die Finger. Mit etwas Pech gab's Blutflecken auf dem schönen neuen Tuch. Beim Häkeln wurden die Hände lahm, wenn die feine Häkelnadel Löchlein an Löchlein ins Tuch zu stechen hatte und Schlinge um Schlinge aus dem Häkelfaden um sich selbst und um den Saum zu ziehen. Und beim Stricken zauselte die alte Wolle sich filzig oder in zu feste Maschen. Da gerieten die Reihen schief und huckelig, mussten aufgezogen und neu gestrickt werden. Und wehe, es fielen Maschen herunter, dann kostete es Tränen, ehe man sie wieder aufgefangen hatte, ohne das Laufmaschen blieben. Mädchenarbeit war das. Gut, dass die Mutter manchmal half.
Jungen sägten zum Beispiel; sägten dem Vater etwas Schönes mit dem Laubsägeblatt aus einem Sperrholzbrett, auf das sie zuvor ein Motiv aufgebracht hatten. Werkunterricht gab's damals für alle Jungen in der Schule. Und daheim brachte ihnen der Vater bei, was er selber konnte. Kein Junge, der nicht hätte laubsägen können. Mit einem kleinen Loch versehen, konnte der Vater das Werkstück als Bild aufhängen.
Oder sie suchten in Vaters Werkzeugkiste die krummen Nägel aus, die man damals ganz selbstverständlich nicht wegwarf, und hämmerten sie fein säuberlich wieder gerade, bis sie wie neu aussagen. Dann wurden sie mit feinem Schmirgelpapier poliert und in eine Geschenkschachtel gelegt, auf die Schwester oder Mutter eine schöne Schleife banden. Wer gar nichts zu verschenken hatte, putzte Vaters Schuhe oder Stiefel blitzeblank. Am besten mit viel Spucke und Zeitungspapier.
Und dann kam der Moment des Morgenkaffes, den wir - genau wie am Muttertag - auf dem Tablett an Vaters Bett trugen, das Geschenk, gut sichtbar neben der Tasse oder hinter dem Rücken verborgen, und stolz servierten.
Muttertag, Vatertag - für uns Kinder gab's da keinen Wertungsunterschied. Der einzige Unterschied bestand darin, dass Mutters Geschenk so viel einfacher zu haben war und dass sie uns zärtlich drückte und in die Arme nahm, wenn sie sich bedankte, während Vater uns in die Luft warf oder durchkitzelte oder uns mit seinem Stachelbart die Wangen rot rieb, wenn er uns küsste. Beides war schön. Jedes auf seine Art.
Wer Muttertag und Vatertag politisch und ideologisch ausschlachtet, weiß nicht, wie schön es ist, solche besonderen Tage mit Kindern zu feiern und zu genießen. Kinder wissen nichts von Ideologien, brauchen es auch nicht. Was sie wissen wollen und brauchen, ist, dass sie geliebt werden und wiederlieben und das auch zeigen dürfen. An jedem Tag und an besonderen Tagen ganz besonders.
Deshalb kommt es darauf an, wie Muttertag oder Vatertag, wie die Gleichwertigkeit von Mutter und Vater Kindern vermittelt wird, um Kindern als etwas Beglückendes, Fröhlichkeit Stiftendes nahe zu bringen, dass sie beiden Eltern an einem besonderen Tag im Jahr ganz besonders feierlich und festlich ihre Kindesliebe bezeugen dürfen, - einfach deshalb, weil sie beide lieben und von beiden geliebt werden und genau das wunderbar schön ist.